200 Jahre Museumsgesellschaft Freiburg

Verfasser: Herr Dr. Ulrich Dold und Herr Dr. Manfred Höfert

Die Freiburger Museumsgesellschaft konnte am 4. Januar 2007 ihr 200-jähriges Jubiläum feiern. Ursprünglich als Lesegesellschaft im Jahre 1807 gegründet ist sie damit die älteste bürgerliche Gesellschaft der Stadt. Allerdings ist sie eine der jüngeren in einer Reihe ähnlicher Einrichtungen, denn Lesegesellschaften gibt es bereits seit dem Ende des 17. Jahrhunderts in deutschen Landen. Anfänglich schlossen sich an verschiedenen Orten im deutschen Sprachraum vor allem Literaten und Sprachpfleger zusammen, die sich besonders gegen die Verhunzung der deutschen Sprache, deren gefühligem Grund die welschen und schwedischen Feldzüge ihre Huf- und Radspuren gekerbt hatten*, richteten.


Das Lesekabinett um 1840 von Heinrich Lukas Arnold
(Deutsches Historisches Museum,Berlin)

Die Gründungen von Lesegesellschaften des späten 18. und des frühen 19. Jahrhunderts sind dagegen Gemeinschaften einer regionalen, gehobenen und gebildeten Mittelschicht von Bürgern und Beamten, die vereint die damals teuren Bücher und Zeitschriften erwerben, um am Zeitalter der wachsenden Erkenntnisse teilzuhaben. In diesen Gesellschaften erreicht die gemeinsam erworbene Literatur eine große Kundengemeinde, in der dann gleichzeitig das Bedürfnis wächst, das erworbene Wissen mit Gleichgesinnten zu diskutieren. Dabei werden nicht allein die Werke anerkannter Dichter, sondern besonders auch Zeitschriften oder populärwissenschaftliche Schriften gelesen. Um 1800 gibt es bereits mehr als tausend Lesegesellschaften in ganz Deutschland. Die Gründung der Freiburger Lesegesellschaft fällt in die napoleonische Zeit, die für den vorder-österreichischen Breisgau dramatische Entwicklungen brachte.
*Die rot gekennzeichneten Stellen sind Originalzitate aus den dieser Darstellung zugrunde liegenden Literatur und sonstigen Quellen.

 

Die Freiburger Lesegesellschaft im Kontext der Geschichte Badens
Napoleon entscheidet: Der Breisgau kommt an das Großherzogtum Baden


Fiat voluntas domini Napoleonis
oder
l'aigle impérial plane sur l'Europe

Nach der vernichtenden Niederlage der Österreicher im 3. Koalitionskrieg am 2. Dezember 1805 in der Schlacht bei Austerlitz amputiert 1805 Napoleon im Frieden von Pressburg das Kaiserreich Franz' I. beträchtlich, doch bereits zuvor am 20. Dezember 1805 hatte der Sieger im Wiener Vertrag verfügt: Sa Majesté l'empereur d'Autriche cède et abandonne à son Altesse l'électeur de Bade le Brisgau, l'Ortenau et leur dépendances. Somit kommen Gebiete am Oberrhein, die 438 Jahre unter der Bezeichnung Vorderösterreich dem Hause Habsburg angehört hatten, an das von Napoleon zum Großherzogtum erhobene Baden. Mit seinen neu erworbenen Territorien liegt das Land wie ein Sperrriegel zwischen dem Rhein und den übrigen deutschen Staaten. Baden ist Napoleon als militärisches Glacis Frankreichs so wichtig, dass er seine 17-jährige Adoptivtochter und kaiserliche Hoheit Stephanie Beauharnais mit dem Erbprinzen Karl Ludwig von Baden verheiratet.

 

Den protestantischen Norden mit dem
katholischen Süden vermählen

In Karlsruhe weiß man um die Anhänglichkeit der Breisgauer an das habsburgische Herrscherhaus und ist sich der heiklen Aufgabe, den katholischen Süden mit dem protestantischen Norden zu vereinen, bewusst.

Zu Beginn des Jahres 1806 ist Freiburg von französischen Truppen unter General Monard besetzt, doch es residiert dort noch der Präsident der vorderösterreichischen erzherzoglichen Regierung Hermann von Greiffenegg. In diese delikate Umgebung schickt der Kurfürst und Großherzog Karl Friedrich als Übergabekommissär einen seiner besten Leute, den Protestanten und würklichen Geheimen Rath und Hofkommissar Karl Wilhelm Ludwig Friedrich Drais Freiherr von Sauerbronn.

 

Der Übergabsact in der Münsterkirche


Johann Georg Jacobi (1740 - 1814) Dichter und Publizist steht
heute ganz im Schatten seines drei Jahre jüngeren Bruders, des
Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi, doch war damals Johann Georg
als Dichter, Schöngeist und Herausgeber mindestens ebenso berühmt.

Die Übergabe des Breisgaus und der Ortenau an das Großherzogtum erfolgt am 15. April 1806.

Am Vorabend beschreibt der Altphilologe und Theologe Leonard Hug, Professor an der Universität Freiburg, den zu erwartenden Akt sarkastisch-pessimistisch: Morgen ist der feierliche Übergabsact in der Münsterkirche. Der Französ. Intendant General Monard, welcher uns übergiebt, wird mit einer Anrede eröffnen; der geheime Rath, Freyherr von Drais wird ihm von badischer Seite antworten und uns übernehmen. Alle Magistraturen werden zugegen seyn, und wie es sich versteht, auch die Universität. In der Kirche wird eine Te Deum diese Handlung beschließen. Dann gehet es ans schmausen u.s.w. Wir werden uns bey dem Allem dabey nicht zu Tode lachen.

Nach der formellen Übergabe betreibt von Drais mit großem Eifer die rasche Integration der neuen Gebiete in das Großherzogtum. So darf man annehmen, dass der Kommissär, als er im Dezember 1806 in Freiburg die Gründung einer Lesegesellschaft anregt, dies auch als ein Mittel versteht, den überwiegend protestantischen Norden Badens mit dem weitgehend katholischen Süden zu vermählen, wie der Dichter Johann Georg Jacobi es ausdrückt.

 

Gründung einer Lesegesellschaft in Freiburg


Karl Wilhelm Ludwig Friedrich Drais
Freiherr von Sauerbronn (1755 - 1830)

Am 4. Januar 1807 wird die Lesegesellschaft in Freiburg offiziell gegründet. Drais ist deren erster Präsident und erläutert den Urstand der Freyburger Lesegesellschaft wie folgt: Ein edles Bedürfniß des Geistes - eine Lesegesellschaft - war längst der Wunsch vieler Gebildeter in Freyburg und ich bin von mehreren Seiten veranlaßt worden, zur Realisierung vom neuen Jahr an beizuwirken ... Wenn wir nun zu der schönen und fruchtbaren Natur dieses Landes noch städtische Freuden der Geselligkeit hinzutun - ist es Leichtsinn und Unglücke? Nein! Es ist vernünftiger Genuß unseres Glückes!

Zu den ersten Mitgliedern der Freiburger Lesegesellschaft gehören intellektuell und politisch führende Persönlichkeiten Freiburgs wie
Bürgermeister Johann Joseph Adrians,
der Regierungsrat und Hofrichter Freiherr Konrad von Andlaw,
der Stadtdirektor Freiherr Karl von Baden,
der Chirurgieprofessor Alexander Ecker,
der Verleger Bartholomä Herder,
der Altphilologe und Theologe Leonard Hug,
der Kapitelkanzler des Malteserordens Joseph Albert von Ittner,
der Dichter Johann Georg Jacobi,
der Historiker Karl von Rotteck,
der Universitätsbibliothekar Johann Kaspar Ruef,
der Herausgeber der Freiburger Zeitung Franz Xaver Schnetzler und
der Staatsrechtler Karl Theodor Welcker.

Anfänglich mietet man ein anständiges, im Winter täglich geheiztes und erleuchtetes Lesezimmer samt Konversationssalon im Gräflich Sickinginschen Hause (heute das Landgericht in der Salzstraße), in dem aber ja kein Tabak geraucht werden darf und wohin vor allem keine Hunde mitgebracht werden dürfen.

Wie überall im französisch besetzten Deutschland arrangiert man sich auch innerhalb der Lesegesellschaft mit den politischen Verhältnissen und hier besonders mit der neuen badischen Herrschaft wie Johann Kaspar Ruef schreibt: Gegenwärtig, da wir - Unterthanen einer ebenso milden wie gerechten Regierung - einem allgemeinen Frieden entgegenharren ... und als man überhaupt das humane Benehmen der großherzoglichen Kommissäre sah, verloren sich die mißstimmigen Besorgnisse und Vorurteile und man erkannte zuletzt, daß dem Breisgau der Verlust eines guten Fürsten durch den besten ersetzt worden sei. Auf einen allgemeinen Frieden müssen die Unterthanen allerdings noch acht Jahre warten.

 

Über den Werth der Bücher getäuscht werden


Bartholomä Herder (1774 -- 1839) auch Bartholomäus
Herder war Gründer des nach ihm benannten Verlages und Verleger.

Bartholomä Herder kommt 1808 nach Freiburg, nachdem als Folge des Reichsdeputationshauptschlusses das Fürstbistum Konstanz seines Dienstherrn Reichsfreiherr von Dalberg aufgehoben worden war und Herder als Hofbuchhändler dort seine Lebensgrundlage verloren hatte. So lässt sich Herder als akademischer Buchhändler in der Universitätsstadt nieder. Bald schon ist er Mitglied der Lesegesellschaft und sieht darin nicht zuletzt eine Möglichkeit der Werbung, in dem er im Leseraum Neuerscheinungen zur Ansicht auslegt, um potenzielle Käufer der Unannehmlichkeit zu überheben, entweder durch vielversprechende Titel oder durch parteiische Recensionen über den Werth der Bücher getäuscht zu werden.

Seit Januar 1808 residiert die Freiburger Lesegesellschaft im angemieteten ehemaligen Schneckengasthof am Münsterplatz. Dort befindet sich auch das neu eröffnete Casino mit Bewirtung. Die Räume erweisen sich jedoch bald als zu klein, und so bietet Herder 1810 der Gesellschaft Räumlichkeiten in dem von ihm erworbenen Duranschen Haus in der Kaiserstraße, wo er auch seine Buchhandlung betreibt, an. Die noch unentschlossenen Mitglieder ködert der Verleger mit der Aufstellung eines Billards. Im Mietvertrag verpflichtet sich Herder ferner, eine Traiterie mit allen Gattungen von Erfrischungen einzurichten. In den beiden Lesezimmern lässt Herder 75 Zeitschriften der verschiedensten Disziplinen auslegen.

In den folgenden Jahren müssen sich die versprochenen Nebenleistungen jedoch verschlechtert haben, denn auch leydet der Kredit des Museums sehr beym Eintritt eines jeden Fremden, welcher an einem solchen Ort ein Billard erblickt, welches er eher für eine Oehlpumpe oder die Werkstätte eines schmutzigen Gewehrbohrers halten würde. Daneben wird die Versorgung mit Getränken als wenig preiswert angesehen: Besonders würde durch Einführung des Faßbieres allein die Möglichkeit herbeygeführt, daß man das Vergnügen der Gesellschaft nicht ohne Noth theuer erkaufen müßte. Herder zögert, doch 1812 verpflichtet er sich schließlich, zweierlei Fassbier anzubieten.

 

Aus der Lesegesellschaft wird die Museumsgesellschaft


Gedenkstein an der Russischen Gedächtniskirche
St. Alexij in der Nähe des Leipziger Schlachtfelds.
Man beachte den hohen Blutzoll der russischen Truppen.

Schon bald nach ihrer Gründung fühlt sich die Lesegesellschaft neben Klio (Geschichte) weiteren Musen verpflichtet, etwa Thalia (Theater), Polyhymnia (Musik) und Terpsichore (Tanz). Die Heiligtümer der Musen heißen griechisch Museion, und so ändert man folgerichtig den Namen der Gesellschaft in die latinisierte Form Museum. Im Gebäude der Museumsgesellschaft hält man Vorträge, gibt Konzerte, führt sogar Opern auf und veranstaltet Bälle. Es darf davon ausgegangen werden, dass bei all den gesellschaftlichen Aktivitäten die damaligen militärischen und politischen Entwicklungen nicht spurlos an den Mitgliedern vorbeigegangen sind. Allerdings scheinen in den Aufzeichnungen des Chronisten zum 100-jährigen Jubiläum der Museumsgesellschaft diese Themen nur wenig durch.

Selbst als mit dem desaströsen Russlandfeldzug der Stern des Franzosenkaisers sinkt, tut sich die Museumsgesellschaft ähnlich wie das von Napoleons Gnaden geschaffene Großherzogtum Baden schwer, der französischen Herrschaft abzuschwören und in das Lager der Befreiungsbewegung zu wechseln. Während im Oktober 1812 badische Truppen in der Völkerschlacht bei Leipzig auf Seiten Napoleons kämpfen und verlieren, bringt noch zwei Monate später am 25. Dezember eine Versammlung der mehrsten Mitglieder des Museums die Summe von 100 Gulden auf zur Unterstützung des unter Napoleons Kommando im Norden stehenden badischen Militärs.

Im Jahre 1814 ist eine späte Wende dann aber vollzogen, als bei einem in Erinnerung an die Völkerschlacht vom Museum veranstalteten Festmahl Professor Ecker durch eine feurige Ansprache die patriotischen Empfindungen der Gesellschaft zum Ausdruck bringt.

 

Zurück unter die milde Hand Österreichs?


Österreichischer Doppeladler
in der Version von 1815

Als im Laufe der Befreiungskriege Ende 1813 die Heere der Verbündeten durch Freiburg in Richtung Frankreich marschieren, begrüßt das greise Museumsmitglied Jacobi den Einmarsch der Alliierten mit den Worten: Gern will ich nun sterben, denn ich sterbe als freier Deutscher. Ein solches Bekenntnis tragen alle mit, doch werden viele persönliche Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft aufs äußerste gespannt, als nach der Befreiung vom französischen Joch die Anhänglichkeit der österreichischen Vorlande an das Habsburger Herrscherhaus von neuem hervorbricht und alte Gefühle und Vorurteile weckt: Wien und das habsburgisch katholische Österreich sind den Freiburgern näher als Karlsruhe und das protestantische Nordbaden. Die Mehrheit der Bevölkerung hofft, dass der Kaiser den Breisgau wieder an sich ziehen möge.

Museumsmitglied von Rotteck schürt das Feuer mit einem anonymen Flugblatt: Heute nachmittags wurde unsere Stadt durch die höchsterfreuliche Ankunft seiner kaiserlichen Majestät ... beglückt ... beym Empfang des menschen-freundlichsten Fürsten: nur freyer Erguß des vollen Stromes der Liebe ... So wie der gute Vater von liebenden Kindern, so wurde Kaiser Franz von seinen ehemaligen Unterthanen empfangen ... Seine Majestät, zu Pferde, mit Huld und sichtbarer Rührung, grüßten wiederholt die Menge.

Nicht nur für von Rotteck, sondern für viele Breisgauer ist die Entscheidung des Wiener Kongresses, am status quo festzuhalten, schmerzlich, doch sieht er in der neuen badischen Herrschaft auch eine Chance und beeilt sich an der neuen Verfassung des Großherzogtums mitzuarbeiten, die bei Ihrer Verkündung 1818 als die liberalste in deutschen Landen gilt.

 

Das Volk von Baden


Karl Wenzel Rodeckher von Rotteck (1775 -1840)

Im Gegensatz zu seiner früheren Anhänglichkeit an das Haus Österreich betont von Rotteck nun in seinen Reden auch vor den Mitgliedern der Museumsgesellschaft das einigende Element dieses Dokuments: Wir haben eine ständige Verfassung erhalten, ein politisches Leben als Volk ... Wir waren Baden-Badener, Durlacher, Breisgauer, Pfälzer, Nellenburger, Fürstenberger, wir waren Freiburger, Konstanzer, Mannheimer: ein Volk von Baden waren wir nicht. Fortan aber sind wir Ein Volk, haben einen Gesamtwillen und ein anerkanntes Gesamtinteresse, d. h. ein Gesamtleben und ein Gesamtrecht. Jetzt erst treten wir in die Geschichte mit eigener Rolle ein. Jetzt sind wir alle - vom Odenwald bis zum Bodensee - fest aneinandergeschlossen, die Glieder eines lebendigen Leibes, von einem Gesamtwillen bewegt, von einem Geiste beseelt. Alle für Einen, Einer für Alle. Wer jetzt einen antastet, tastet uns alle an.

 

Erwerb eines eigenen schicklichen Gebäudes


Die ehemalige Schneckenwirtschaft am Münsterplatz.
Aufnahme von Georg Röbke, um 1900 (Augustinermuseum)

Im Jahre 1817 ist von Rotteck Präsident der Museumsgesellschaft, die nun 168 Mitglieder hat. Deshalb erweisen sich die vom Verleger Bartholomä Herder angemieteten Räume als zu beengt. So betreibt das Direktorium mit Eifer den Erwerb eines eigenen schicklichen Gebäudes.

Obgleich eine deutliche Mehrheit den Ankauf des Hauses Alter Schnecken am Münsterplatz für 16000 Gulden befürwortet, ist es mit der Harmonie in der Gesellschaft vorbei. Weil ihnen die Ankaufsoperation nicht behagt, treten im Juni 1817 mindestens 38 Museumsmitglieder, darunter die Herren von Andlaw, Ecker und von Ittner aus und gründen eine neue Vereinigung, die sie sinnigerweise Harmonie nennen. Diese Trennung ist allerdings nicht von Dauer, denn schon 1820 kehren die Abtrünnigen in den Schoß der Museumsgesellschaft zurück.

 

Lieber Freiheit ohne Einheit als Einheit ohne Freiheit


Carl Theodor Georg Philipp Welcker
(1790 - 1869)

In den folgenden Jahren müssen Badens Bürger erfahren, dass die in der Verfassung garantierten Freiheiten nur auf dem Papier stehen. Besonders von Rotteck ist durch die verschärfte Anwendung der Karlsbader Beschlüsse im Großherzogtum betroffen. Er bekennt sich auf dem Badenweiler Fest am Pfingstmontag 1832 in der deutschen Frage klar zu einem freiheitlichen Föderalismus: Ich will die Einheit nicht anders als mit Freiheit, und will lieber Freiheit ohne Einheit als Einheit ohne Freiheit ... Ich will keine Einheit unter den Flügeln des preußischen oder österreichischen Adlers, ich will keine unter der Form der allgemeinen teutschen Republik, weil der Weg, zu einer solchen zu gelangen, schauerlich, und der Erfolg höchst ungewisser Eigenschaft erscheint … Ein Staatenbund ist, laut Zeugnis der Geschichte, zu Bewahrung der Freiheit geeigneter als die ungeteilte Masse eines großen Reiches.

Da verbietet die Regierung in Karlsruhe seine zusammen mit Theodor Welker herausgegebene und bis dahin unzensierte Zeitschrift Der Freisinnige. Gleichzeitig versetzt sie ihn als Professor in den vorzeitigen Ruhestand.

Noch aber steckt von Rotteck nicht auf. Von einer Welle der Popularität getragen gewinnt er die Freiburger Bürgermeisterwahl von 1833 mit überwältigender Mehrheit, doch die badische Regierung verfügt, der auf den pensionierten großh. Hofrat und Professor Dr. Karl von Rotteck in Freiburg gefallenen Wahl zum Bürgermeister dieser Stadt die Bestätigung, wie hiermit geschieht, zu versagen.

 

Mehr Genuß an Spiel, Tanz und Tonkunst


Konrad Karl Freiherr von und zu Andlaw-Birseck
(1766 -1839)

Statt auf der politischen Bühne versucht von Rotteck nun, seine liberalen Ideen und Ansichten auf Vereinsebene zu entfalten, doch eine große Mehrheit der Museumsmitglieder möchte ihm darin nicht folgen. Die hatten sich in den Jahren der politischen Repression und Pressezensur weniger um Politik gekümmert und sich zunehmend um die Geselligkeit im Verein besorgt. Schon 1829 hatte der damalige Präsident Konrad von Andlaw geklagt, dass man im Lesezimmer die politischen Journale eben nur durchblättere und daß man mehr Genuß habe an Spiel, Tanz und Tonkunst als am Austragen politischer Meinungen.

 

Seyd gegrüßt ihr heitern Hallen


Das Museum und das Kapferesche Haus von Nordosten
Aufnahme von Georg Röbke, nach 1901 (Augustinermuseum)

Im Jahre 1823 erfährt von Andlaw als ehemaliger Gegner des Ankaufs des Alten Schnecken Genugtuung, als er nun als Vorsitzender der Freiburger Baukommission zusammen mit dem Präsidenten der Museumsgesellschaft Baron von Reinach den Grundstein zu einem neuen wirklich repräsentativen spätklassizistischen Gebäude legen darf. Dieser Bau entsteht in der Münstergasse am Ort des ehemaligen im spätgotischen Stil erbauten Bürgerspital zum Heiligen Geist.

Die zweite Strophe eines Hymnus vorgetragen anlässlich der Einweihung des neuen Gebäudes am 18. Juli 1825 ist bezeichnend für die damalige Einstellung der Museumsmitglieder:

Seyd gegrüßt ihr heitern Hallen,
Laßt durch euer offnes Thor
Grazien und Musen wallen
Ein zu euch in schönen Chor
Alles Schöne, alles Gute
Kehr in reicher Menge ein,
und was wir in frohem Muthe
Wünschen, soll erfüllet seyn.

 

Man trennt sich, wohl nicht in Harmonie


Carl Mez (1808 -1877)

Im Jahre 1835 kommt es zur einschneidendsten Veränderung in der Geschichte der Museumsgesellschaft, als von Rotteck zusammen mit Gleichgesinnten wie seinem Schwiegersohn, dem Hofgerichtsadvokat Max Ruef, den Kaufleuten Joseph Fehrenbach und August Herzog, dem Messerschmied Sines Schmidt und Carl Mez, dem Unternehmer, Sozialreformer und späterem Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung die Bürgerliche Lesegesellschaft Harmonie gründet. Die läuft, was die Zahl der Mitglieder betrifft, mit 360 der Museumsgesellschaft bald den Rang ab. Hier bewegen Handwerker, Fabrikanten, Kaufleute, Beamte, Gastwirte und Akademiker republikanische Ideen. Das Vereinshaus in der Grünwälder Straße wird zum Zentrum der freiheitlichen Bewegung in Südbaden. Nach dem Tode von Rottecks 1840 sind sein Sohn Karl junior und Carl Mez die treibenden Kräfte dieser bürgerlichen Lesegesellschaft.

 

Üble Zeiten gingen an uns vorüber


Gedenktafel an die Erhebung von 1848
in der Nähe des Schwabentors

Im Revolutionsjahr 1848 versammeln sich am 28. Februar im Haus der Harmonie 800 Personen und wählen einen Volksausschuss. Der stellt einen Katalog revolutionärer Forderungen zusammen und sendet damit eine Delegation nach Karlsruhe. Derweil steht die Museumsgesellschaft den Revolutionsereignissen ablehnend gegenüber. Damals heißt es über das Frühjahr 1848: Üble Zeiten gingen an uns vorüber.

Der Verfasser einer Freiburger Geschichte Joseph Bader bringt 1882 die Einstellung des konservativen Bürgertums zu den revolutionären Ideen von 1848 deutlich zum Ausdruck: Nachdem es seit der Offenburger Volksversammlung und noch bewegter seit dem Ausbruche der französischen Februar=Revolution im Lande Baden zu einer wachsenden Aufregung gekommen, brach endlich der unselige Aufstand von 1848 aus, über deren Verlauf man patriotisch beschämt gerne hinwegsieht.

 

Die Museumsgesellschaft im Zweiten Reich


Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles gemalt von Anton von Werner.
Von obigem Bild gab es vier Versionen. Einzig die Friedrichsruher Kopie oben ist erhalten.

Mit der Abspaltung der Harmonie hatte das Museum seine bei der Gründung so wichtige politische Bedeutung in Freiburg und in Baden für immer eingebüßt. Eine Generation später verliert auch das Großherzogtum seinen politischen Einfluss in der deutschen Politik mit der Reichsgründung von 1871. Der Badische Großherzog Friedrich ruft im Spiegelsaal von Versailles den früher bei der Zerschlagung der badischen Revolution als Kartätschenprinz berüchtigten Wilhelm mit den Worten: Es lebe seine Kaiserliche Majestät, der Kaiser Wilhelm! zum Kaiser aus. Baden geht fortan in Deutschland auf. Im Nachhinein bedauert man, auf eigene Briefmarken verzichtet zu haben, die Bismarck im Einigungsvertrag den Württembergern und Bayern zugestanden hatte.

Im Jahre 1912 zählt die Museumsgesellschaft 233 Mitglieder. Die größte Gruppe stellen 72 Privatiers und Pensionäre, gefolgt von 54 Personen aus dem Offiziersstand. Diese Zusammensetzung rechtfertigt Freiburgs Beinamen Alldeutsches Pensionopolis und erklärt, dass von 1901 bis 1923 bis auf eine Ausnahme das Militär die Präsidenten des Museums stellt, unter ihnen drei hochrangige preußische Offiziere a. D.

 

Ferdinand Lindemann, der  Lorettoberg
und die Quadratur des Kreises


©Wikipedia/Plynn9

430 v.Chr. hat der griechische Philosoph Anaxagoras (ca.499-428 V. Chr.) die Frage gestellt, wie man zu einem gegebenen Kreis in Quadrat gleichen Flächeninhalts konstruieren könne, und das nur mit Zirkel und Lineal, Das Problem hat die geistige Welt über 2300 Jahre bewegt, ohne dass man einer Lösung näher gekommen wäre. Dante Alighieri gelangt in einem Gesang seiner Göttlichen Komödie zu dem Schluss, dass der Mathematik der Weg zu einer Lösung verschlossen sei, weil ihr der Grundsatz fehle, dessen sie bedürfe, Im Sprachgebrauch des Alltags wurde die Quadratur des Kreises zu einer Metapher für eine sehr schwere oder gar unlösbare Aufgabe.

Am 14, April 1882, seinem 30. Geburtstag, unternahm der damals in Freiburg lehrende Mathematiker Ferdinand Lindemann (1852-1939) eine Wanderung über den Lorettoberg nach Günterstal. Vielleicht war es der Ausblick auf den Schauinsland, der seinen Einfallsreichtum beflügelte: Ihm kam die Idee für den Beweis einer Aussage, welche die Unlösbarkeit der Quadratur des Kreises nach sich zieht. Er eilte heim, um sie am Schreibtisch zu prüfen. Der Beweis gelang. Ein Problem, an dem sich Mathematiker, Philosophen und Laien 23 Jahrhunderte lang abgemüht hatten, war als unlösbar erkannt. Dantes Pessimisms hatte sich bestätigt.

Am Abend des denkwürdigen Tages beschloss Lindemann, im Haus der Freiburger Museumsgesellschaft noch ein Essen einzunehmen. Dort empfing ihn ein Oberstleutnant mit den Worten:„Sie sehen ja aus, als hätten Sie die Quadratur des Kreises gelöst." Wie wahr!Nachrufe sprechen von einer Großtat menschlichen Geistes und einem Glanzpunkt in den mathematischen Erfolgen der Neuzeit.

Lindemann verließ Freiburg 1883, um eine Professur in Königsberg anzunehmen. 1918, damals Professor in München, wurde er wegen seiner Leistungen geadelt.

Ein Beitrag von Prof. Heinz-Dieter Ebbinghaus

 

Zwischen zwei Kriegen


Adolf Krebs (1876 - 1960)

Den Besiegten im Ersten Weltkrieg bleibt eine schwierige Nachkriegszeit. Bald steigt die Inflation bis zur völligen Geldentwertung. Ein Glücksfall ist 1923 die Wahl des Bankiers Adolf Krebs zum Präsidenten, der das Schiff durch die finanziellen Turbulenzen der jungen Republik steuert. Um im Bilde zu bleiben, hält in der folgenden Periode ab 1934 der pensionierte Oberstleutnant a.D. Maximilian Knecht die Gesellschaft auf Kurs. Die Mitglieder halten an der Tradition fest und pflegen bis weit in den Zweiten Weltkrieg hinein den Umgang mit schöner Literatur, den Künsten und ein freundschaftliches Gesellschaftsleben. Das markante Gebäude - das Museum - besitzt einen der schönsten Konzertsäle Freiburgs, oft genutzt zu großen und kleinen Konzerten und Tagungen. Im Erdgeschoss ist das Café Museum ein beliebter Treffpunkt für Jung und Alt.

 

Operation Tigerfish


Ausschnitt aus einer Luftaufnahme der Altstadt von Süden vom April 1945 (Stadtarchiv Freiburg). Links vom Münster die Ruine des Museumsgebäudes.

Nach dem Bombenhagel auf Freiburg und dem anschließenden Feuersturm des 27. November 1944 bleibt vom stadtbekannten, repräsentativen Bau der Museumsgesellschaft nur noch eine Ruine stehen. Alle angesammelten Erinnerungs-stücke, das gesamte Archiv und eine Bibliothek mit etwa 10.000 Bänden sind unter Trümmern begraben. Im Umkreis ist der größte Teil der historischen Freiburger Altstadt durch die Bomben des nächtlichen Angriffs in Schutt und Asche gesunken. Inmitten der Trümmerwüste ragt allein der schönste Turm auf Erden, der Münsterturm, als Zeichen der Hoffnung in den Himmel.

 

Verbot und Neuanfang

Nach der verheerenden Niederlage im zweiten Weltkrieg liegt die Stadt in Trümmern, die Bevölkerung hungert, die französische Militärregierung hat jedes Vereinsleben verboten.

Mit der Währungsreform im Jahre 1949 bleibt der Gesellschaft noch ein Betrag von DM 65,85 auf ihrem Konto. Endlich im Frühjahr 1950 kann die Zulassung des Museumsvereins wieder beantragt werden. Über die Tageszeitung werden die Mitglieder zu einer ersten Neugründungsversammlung gerufen. Adolf Georg Kuenzer, zum neuen Präsidenten gewählt, löst Maximilian Knecht ab. Dies sind erste Schritte zu neuer Aktivität, doch ohne eigene Räume. Bereits im Winter 1950/51 wird wieder zum großen Museumsball geladen. Zahlreiche Mitglieder und Gäste finden sich im Hotel Europäischer Hof, an der Bahnhofachse gelegen, ein. Es ist eines der wenigen Gebäude, die den Luftangriff überstanden haben. Dieser Ball wird ein rauschendes Tanzfest, dem später noch viele folgen werden.

 

In neuen, eigenen Räumen


Adolf Poppen (1894 - 1979)

Das Gesellschaftsleben ist zunächst beschwerlich. Man trifft sich in angemieteten Räumen, denn ein Wiederaufbau des alten Gebäudes liegt außerhalb aller finanziellen Möglichkeiten.

Die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands ist mehr als ungewiss und so gestaltet sich der Verkauf des Grundstücks schwierig, zumal das Terrain mit einer hohen Grundschuld in Schweizer Franken belastet ist. Endlich wird ein Käufer gefunden, er will bauen und hat sich verpflichtet, im Neubau der Gesellschaft Räume zu überlassen. Doch der Käufer kann den Vertrag nicht erfüllen und so folgt ein langer Rechtsstreit, den der Vizepräsident, der erfahrene Rechtsanwalt Arnold Mutter, erfolgreich führt. So kommt auf Umwegen das Kaufhaus Schneider in den Besitz des Grundstücks. Heute hat dort das Bekleidungshaus Breuninger eine Freiburger Niederlassung.

Unter dem Zeitungsverleger und Präsidenten der Gesellschaft Adolf Poppen kann endlich 1956 ein neues, bescheidenes Eigentum erworben werden, zentral gelegen, mit Vortrags- und Gesellschaftsraum. Bald werden hier und auch in größerem Rahmen außerhalb, glanzvolle Feste gefeiert, gestaltet von Frau Lilo Winkler.

 

Ein reichhaltiges Gesellschaftsleben


Museumsreisen führen an viele Orte in Europa

In den 60-er Jahren kommt die Museumsgesellschaft langsam aber stetig wieder in die alten Bahnen. Das gesellschaftliche Angebot wird von Jahr zu Jahr reichhaltiger.


Neben Vorträgen über Aktuelles in Stadt und Land, zu Technik und Naturwissenschaften, zu Politik und Literatur sind es Wanderungen im Schwarzwald und den Vogesen, Besuche von Museen in der Stadt und im Umland. Man trifft sich zu festlichem Essen und lauscht konzertanter Musik. Die Gesellschaft stiftet einen Musikpreis, der alle 2 Jahre an junge Künstler verliehen wird.

Ein Höhepunkt ist in jedem Jahr die Museumsreise. Bei den Teilnehmern bleiben die vielen Kulturreisen innerhalb Deutschlands oder auch im nahen europäischen Ausland in unvergesslicher Erinnerung. Um die Planung und Durchführung der Reisen haben sich besonders Frau Gerda Wapenhensch und Ulrich Wunschel verdient gemacht.

 

1807 - 2007 - Zweihundert Jahre


Das Buch zum 200-jährigen
Jubiläum der Museumsgesellschaft

Im Jahre 2007 kann die Museumsgesellschaft Freiburg auf eine 200-jährige Tradition zurückblicken.

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